GASTREZENSION:
Da mein Freund und ich in absehbarer Zeit sehr gerne ein Eigenheim kaufen oder bauen würden, informieren wir uns immer öfter über das Thema "Bauen". Deshalb hat uns das vorgestellte Buch sehr neugierig gemacht, und wir haben beschlossen, es zusammen zu lesen, da mein Freund sich eher mit dem technischen Kram beschäftigt und ich mehr so der Typ bin, der nach Bauchgefühl entscheidet und danach, was gefällt. Deshalb dachten wir, dass mein Freund Simo diese Rezension verfasst, da er die vorgestellten Ideen besser bewerten kann.
Es ist seine allererste Rezension, aber eines haben wir gemeinsam: Wir können uns einfach nicht kurzfassen! ;-) Also egal, ob ihr die ganze Rezi lest oder nur Teile - falls sie euch gefällt, lasst es uns wissen, ich glaube, Simo würde sich über Feedback sehr freuen. :-)
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Daten zum Buch:
erschienen am: 5. Oktober 2015
Verlag: DVA
ISBN: 9783421036742
192 Seiten
Preis: 29,99 € (HC)
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Zum Inhalt:
Wer vor hat, ein Haus zu bauen oder zu
renovieren, der muss sich einer Unmenge an Entscheidungen stellen.
Die Frage nach dem geeigneten Bodenbelag für die Küche oder das
Finden einer schönen Tapete für das Wohnzimmer gehört hier noch zu
den leichteren Aufgaben. Wesentlich schwieriger ist es noch, das Haus
selbst in Bezug auf die Form und die Grundrisse zweckmäßig und
schön zu gestalten. Denn einmal getroffene Entscheidungen lassen
sich hier nicht oder nur schwer rückgängig machen. Und dann muss
man Jahrzehnte damit leben, und meist auch so lange dafür bezahlen.
Die üblichen Vorbilder wie Nachbarn,
Zeitschriften oder gar Ausstellungsräume von Sanitär- und
Einrichtungshäusern helfen hier auch nur begrenzt weiter, da die
Motivation hier in erster Linie entweder Selbstdarstellung oder der
Abschluss von Verkaufsgeschäften ist. Den meisten Bauherren sind
aber finanziell durchaus Grenzen gesetzt, sie müssen also abwägen,
was ihnen in den nächsten Jahren besonders wichtig sein wird und was
nicht.
„Besser bauen, besser wohnen“ will
hier helfen und eine Vielzahl an Ideen für gelungenes Bauen
zusammentragen, um so folgenschweren Fehlentscheidungen in allen
wichtigen Bereichen des Projektes „Eigenheim“ vorzugreifen. Der
Autor Achim Linhardt ist selbst Architekt und hat bereits das eine
oder andere Buch zum Thema Umbau, Reparaturen und kosteneffizientem
Bauen geschrieben.
Meine Meinung:
Zum Aufbau des Buches
Das Buch teilt sich in zwölf Kapitel
auf, die jeweils einen in sich geschlossenen Themenbereich wie
„Hauszugang und Hauseingang“, „Raumbeziehungen“, „Küche
und Hauswirtschaft“, „Heizung und Klima“ oder „Konstruktion
und Ausbau“ behandeln. Hierzu wird jeweils in sechs bis zwölf
Unterpunkten auf ein bis drei Seiten ein Aspekt des Bauens behandelt,
wie z. B. „Komfortable Türbreiten“ oder „Gästezimmer mit
separatem Eingang“. Die Gliederung lässt eine Tendenz von
einfachen, allgemein zugänglichen Themen hin zu spezielleren
Architektur-Fachthemen erkennen, was den Einstieg für fachfremde
Leser sicherlich erleichtert. Die Auswahl erscheint mir stimmig, und
ich hatte beim Lesen nicht den Eindruck, dass wichtige Punkte fehlen.
Es wird wirklich ein großes Spektrum behandelt: von Hinweisen für
eine geschickte Auswahl der Außenbeleuchtung über die fachtypischen
„Raumbeziehungen“ hin zum Bereich des „Grünen Bauens“
(gemeint ist hier die Dach- und Fassadenbegrünung sowie
Gartengestaltung). Das Buch gibt somit zukünftigen Bauherren einen
guten Einblick in die Masse an Entscheidungen, die beim Bau ihres
Hauses auf sie zukommen wird.
Das Layout ist klar und einfach
gestaltet und wird in erster Linie durch zahlreiche Fotos und
Grundrisszeichnungen bestimmt, was für den Bereich Architektur
natürlich sehr wichtig ist. Daher ist es auch erfreulich, dass die
Abbildungen der Innen- und Außenbereiche überwiegend sehr gut
gelungen sind. Dass es nicht leicht ist, Blickwinkel und Beleuchtung
so zu wählen, dass der Charakter eines Raumes realistisch
wiedergegeben wird, beweisen unzählige Bilder, die sich in
Immobilienportalen, aber auch in „Schöner Wohnen“-Zeitschriften
finden lassen. Und während dort teilweise doch recht offensichtlich
nur die Vorzüge eines Objektes in den Mittelpunkt gestellt werden,
schafft es Herr Linhardt doch in seiner Bildauswahl, die Wirkung der
Lokalität sehr nüchtern darzustellen. So vermittelt er sehr gut die
zugrundeliegenden architektonischen Konzepte, lässt aber
gleichzeitig den Freiraum für eigene Interpretation und Beurteilung.
Das Format des Buches von 19,5 x 21,0
cm setzt hier aber auch deutliche Grenzen, und so ist manchmal die im
Text beschriebene Wirkung eines bestimmten Elementes auf einer
begrenzten Anzahl kleiner Bilder nur schwer nachzuvollziehen.
Wirklich schwierig wird es dann aber bei den Grundrissen, die auf 5x5
cm teilweise nur schwer die Interpretation des Autors nachvollziehen
lassen. Schön wäre gewesen, wenn man weitere Bilder und höher
aufgelöste Grundrisse über das Internet abrufen könnte.
Herr Linhardt hat hier zweifellos eine
große Zahl an Tipps versammelt, die bei der Planung des Eigenheims
durchaus hilfreich sind. Ich persönlich fand zum Beispiel die Idee
sehr interessant, im Haus unterschiedliche Klimazonen von Beginn an
zu berücksichtigen. Die Begrünung des Daches fand ich schon immer
interessant, das Kapitel „Grüner Wohnen“ hat mich jetzt sogar
dazu inspiriert, etwas ernsthafter über Fassadenbegrünung
nachzudenken. Und die Idee des mobilen, aber massiven Wetterschutzes,
die ich auch schon selbst hatte, einmal in Echt umgesetzt zu sehen,
hat mich sehr gefreut.
An einigen Stellen habe ich mich aber
auch gefragt, was das mit „Besser wohnen“ zu tun haben soll. Die
beschriebenen Vorteile eines Fingerabdruckscanners an der Haustür
beispielsweise kann ich nicht nachvollziehen. Mir erscheint ein
Transponder-System praktischer. Zu Flächenheizungen wie Fußboden-
und Wandheizungen heißt es nur, bei korrekter Auslegung wären keine
zusätzlichen Heizkörper notwendig. Von meinem Architekten erwarte
ich mir hier aber, dass er auch darauf hinweist, dass dieser
Heizungstyp deutlich langsamer reagiert, und es dadurch deutlich
schwieriger ist, die Heizung mit minimalem Verbrauch zu betreiben.
Das heißt, zusätzlich zu den höheren Baukosten habe ich später
unter Umständen einen geringeren Komfort und höhere Betriebskosten.
Es wird auch immer wieder deutlich, wie
sehr der Autor nach architektonischer Wirksamkeit des Anwesens
strebt. Auch wenn ich das auf eine gewisse Weise nachvollziehen kann,
so stellt sich mir doch die Frage, ob das insgesamt wirklich im Sinne
des Bauherren ist oder doch eher ein Ausdruck des
Geltungsbedürfnisses des Architekten. Ich kann mir gut vorstellen,
dass ich nach 20 Jahren in meinem Haus die eine oder andere
Unzulänglichkeit doch irgendwie lieb gewonnen habe, dafür aber den
damals vermeintlich großen Wurf so gar nicht mehr ausstehen kann.
Kandidaten hierfür wären: Wand und Decke mit dem gleichen Holz
vertäfelt oder gar ganz aus Sichtbeton, Fassadenverkleidungen aus
Welltafeln und Lichtfinger für das Untergeschoss, sowie Treppen ohne
Absturzsicherungen. Da ist es fast schon bemerkenswert konsequent,
dass der Autor auf barrierefreies Bauen so großen Wert legt und von
dem Hauseigang bis zum Badezimmer alle Räume bereits
rollstuhlgerecht vorbereiten will.
Den Kapiteln Solarthermie und
Photovoltaik hat mein besonderes Interesse gegolten, zum einen weil
ich dem Thema Energieeffizienz einen hohen Stellenwert einräume, und
zum anderen, weil ich selbst beruflich in der Photovoltaik tätig
bin. Das Buch gibt hier dem uninformierten Leser einen durchaus
interessanten Einblick in die Planung einer Anlage. Allerdings wird
das Thema doch sehr uninspiriert behandelt. Herr Linhard scheint die
Nutzung der Sonnenenergie nur als notwendiges Übel zu sehen, das uns
der Staat durch Bauverordnungen aufzwingt. Das mag mit der
Einstellung eines Großteils der Deutschen überein stimmen, ich
persönlich halte diese Sichtweise aber doch für wenig zeitgemäß.
So wäre die aktuelle und spannende Gegenüberstellung von
Photovoltaik und Solarthermie ein auch aus architektonischer Sicht
sicher nicht uninteressantes Gebiet gewesen. Die Kombination einer
dachintegrierten Photovoltaik mit Batteriespeicher, aktiver
Lüftungsanlage und Wärmepumpe erscheint mir als technikaffinem
Leser wesentlich interessanter als ein Fingerabdruckscanner,
Gegenstromanlage im Pool und Elektroinstallationsbus, zumal die erste
Kombination möglicherweise sogar langfristig Kosten sparen könnte.
Fazit
Das selbst gesetzte Ziel war es, dem
Bauherren eine Orientierung bei der Gestaltung des Anwesens und der
Auswahl der Ausstattungsmerkmale zu bieten und auch ein
Kostenbewusstsein zu schaffen. Die Mehrzahl der angebotenen Tipps wie
höhenverstellbare Waschtische, automatische Türöffner oder der
Swimmingpool mit Gegenstromanlage wird aber eher zu einer Verteuerung
des Bauvorhabens führen. Spartipps gibt es auch hier und da,
allerdings sind sie oft nicht quantifiziert. Für einen Architekten
hätte es kein Problem sein sollen, für jedes Kapitel eine fundierte
Aussage zum Einfluss der Maßnahme auf die Gesamtkosten zu machen.
Hier habe ich in anderen Baubüchern schon hilfreichere Angaben
gefunden. Auffällig ist, dass inbesondere an Stellen, die besonders
teuer werden dürften (Swimmingpool), keine Angaben gemacht werden.
Genau hier vertut hier das Buch aber seine Chancen, bei der
versprochenen Orientierung zu helfen. Wenn ich eine Angabe hätte,
ein Pool in der einfachsten Ausführung ist ab z. B. 20.000 € zu
haben, kostet im Monat nochmal 200 € für Wartung und Betrieb und
hält im Schnitt 20 Jahre, dann kann ich überlegen, ob es mir das
wert ist. So kann ich nur sagen: „Das ist Luxus, da kann ich noch
drüber nachdenken, sobald ich mein Haus fertig habe.“
Besonders unschön ist mir dann beim
Thema Elektroinstallationsbus dieser Satz aufgestoßen: „Was haben
Sie für das Komfort-Paket bei Ihrem letzten Neuwagenkauf bezahlt?
Eine Ihrem Baubudget entsprechend hohe Summe sollte da für den
Komfort im Haus doch angemessen sein.“ Abgesehen davon, dass ich
Neuwagenkäufe zu vermeiden suche und bei oft überteuerten
Komfortpaketen sehr zurückhaltend bin – bei einem Eigenheim, das
um den Faktor 10 teurer sein dürfte als das Auto, ist man objektiv
gesehen gut beraten, genau zu überlegen, was wirklich sinnvoll ist.
Leider verfestigt sich damit der Eindruck, den ich auch schon an
anderen Stellen hatte: Die optimale Lösung für den Bauherren zu
finden, steht hier nicht im Mittelpunkt. Vielmehr handelt es sich um
eine Leistungsschau der Architekten für eine Zielgruppe, bei der
Kosten keine große Rolle spielen. Der Aspekt „Besser wohnen“ ist
daher aus meiner Sicht nicht wirklich gut umgesetzt. Für jemanden, der sich bislang noch kaum mit dem Hausbau beschäftigt hat, bietet das Buch aber sicherlich einen guten ersten Überblick.
(c) Simo K.
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3,5 von 5 Schreiberpaletten |
Vielen Dank an das Bloggerportal von Randomhouse für dieses Rezensionsexemplar!